Rafael Fuchsgruber: Der Sandmann

SZENE. Rafael Fuchsgruber, der Wüstenläufer. Der Athlet, Buchautor, Konzertveranstalter und Familienvater hat vor vielen Jahren das Laufen entdeckt. Als Passion, als Raum zum Wohlfühlen, als Strategie zur Bewältigung von Lebenskrisen und Suchterkrankung. Zusammen mit seiner Partnerin Tanja Schönenborn läuft er letztes Jahr das Etappenrennen „Atacama Crossing“ in Chile. Eine autobiographische Laufgeschichte, so schonungslos und ehrlich wie die Wüste selbst.

Rumms! Da liegt er, der feine Herr Fuchsgruber, mit 41 Jahren im Krankenhaus. Vor ihm der Internist mit den Worten: „ Sie wissen schon, warum sie hier sind?“ Kurze Pause, in der ich nur blöd schaue. „Es besteht der Verdacht auf Herzinfarkt.“ Mich hat es erwischt. Ich habe vorher gedacht, ich könnte mich durchmogeln. Wie alle Süchtigen dies denken, hoffen und fast alle scheitern. Ich bin Alkoholiker. Damals aktiv. Nicht nur abends oder am Wochenende mal ein Glas zu viel. Manchmal geht es tagelang am Stück, aber jetzt sind die Minuten, in denen es eine Entscheidung braucht. Mach ich mich vom Acker? Aber in welche Richtung? Mein erster Gedanke ist: Überleben! Du musst was für dein Herz tun. Ich war seit 25 Jahren nicht mehr laufen. Erst der zweite Gedanke handelt vom Alkoholentzug. Menschen versuchen immer erst den leichteren Weg und man entschließt sich ja nicht einfach dienstags 16.30 Uhr mal schnell zu einem Entzug. Aber ich habe auch den Schweren genommen und bin nun seit 16 Jahren trocken. Kein Schluck. Nachdem alles auskuriert ist, bin ich die ersten Kilometer gelaufen. Ich will es ausprobieren. Ich will wissen, wie weit ich laufen kann. Niemals dachte ich an Zeiten, an einen Marathon, oder dass ich eines Tages 260 Kilometer nonstop durch die Sahara laufen würde. Ich wollte nur sehen was geht. Drei Monate später stand ich an der Startlinie des Köln-Marathons und war mir ganz sicher, dass ich gerade etwas probiere, das überhaupt gar nicht geht, nämlich 42 Kilometer am Stück zu laufen. Fast fünf Stunden war ich unterwegs. So ist das, wenn man Dinge tut, von denen man keine Ahnung hat.

Der Sprung zum Ultralaufen

Ich blieb dran und es wurde eine große Liebe. Nach zwei Jahren war Laufen nicht mehr anstrengend und es begann die wichtige Zeit. Nicht die Jagd nach Zeiten, sondern das Finden von Entspannung und Erholung. Heute ist Laufen mein Raum zur Erholung, zum Abschalten und sich wiederfinden. Hört sich ein wenig nach Facebook-Romantik an. Funktioniert aber bei mir schon länger als Facebook online ist. Ein paar Jahre später wurden aus dem Fünf-Stunden-Marathon-Mann ein Läufer mit einer Zeit von 2:59 Stunden – ich war knapp 50 Jahre alt. Das war ok für mich. Danach bin ich nie wieder einen City-Marathon auf Zeit gelaufen. Die Motivation fehlte hier noch fünf oder zehn Minuten herauszukitzeln. Nach den ersten Jahren hatte sich diese Liebe zum Laufen noch intensiviert. Ich hatte Bilder vom Marathon des Sables (MdS) in der Sahara in einer Laufzeitung wie dieser gesehen. Mir war sofort klar: Das sind meine „Götter“ des Laufens. In sechs Tagen 250 Kilometer in der Wüste laufen? Mein Traum! Und so kam es auch. Der MdS war 2007 mein erster Wüstenlauf. Es wurden bis heute 15 Starts plus einige Dschungel Extremläufe. Auf den Monat genau zehn nach Jahre nach meinem Alkoholentzug gewann ich in Namibia mein erstes Wüstenrennen und drei Jahre später auch ein Rennen im Iran in der Dasht-e Lut Wüste dem heißesten Ort der Welt. Einige Top-3 Platzierungen kamen hinzu.

Den kompletten Artikel lesen Sie in der LAUFZEIT 2/20.

TEXT: Rafael Fuchsgruber
FOTOS: Martin Paldan/Beyond the ultimate (Aufmacher), privat