Sommer, Streckenrekord, Ziellinienduell

SZENE. „Auf der Reeperbahn morgens um halb neun…” muss alles schon für den 29. hella hamburg halbmarathon bereitstehen. Hunderte Meter Absperrgitter, Musikanlagen, Stromversorgung, reichlich Getränke, Startbögen, sanitäre Anlagen. Wer ein bisschen früher zum Start zu kommt, kann miterleben, wie die Reeperbahn vorzeitig wieder wach wird: Stadtreinigung, Helferteams, Führungsfahrzeuge, Polizei und viele andere sorgen für eine wie geschmiert laufende Logistik für die etwa 10.000 Teilnehmenden. Wirkliche Routine ist das in den vielen Jahren aber nicht geworden: Fast jedes Jahr ändern sich Dinge. Wie oft musste die Strecke geändert werden, sei es, um sie schneller zu gestalten oder wegen äußerer Umstände? Der eine oder andere erinnert sich vielleicht noch, dass der Halbmarathon früher einmal im Stadtpark stattfand.

Wie im Vorjahr hatte sich ein Hochsommertag angekündigt, aber immerhin sollten die Temperaturen am Vormittag noch im lauffreundlichen Bereich bleiben. Und sogar Streckenrekorde standen zur Diskussion. Die ersten beiden Rekorde lieferten die (traditionell vor den Läufer:innen startenden) Inline-Skater ab. An anderer Stelle dazu mehr, hier nur so viel: Streckenrekord Frauen und Männer – und der schnellste Mann maß unterwegs seine Maximalgeschwindigkeit mit 64 km/h (auch das möglicherweise ein Rekord). Da sind die ungefähr 21 km/h der Eliteläufer:innen, speziell des wieder angetretenen Vorjahressiegers Samwel Mailu aus Kenia, relativ langsam. Das gibt sich aber wieder, wenn man dasselbe Tempo mal über zwei Sportplatzrunden nachzulaufen versucht.

Vier riesige Startblöcke, die sich hinter der Startlinie Reeperbahn einen halben Kilometer nach hinten zogen… das war das erste Sommer-Volksfest des Tages. Neue Zuschauer-„Hotspots” zogen sich an der Strecke. Zeit zum Anfeuern gab es genug, da sich das Feld durch die Blockstarts „zog”. Erst einmal nur wenige Zuschauer, aber dafür einige Fotografen, standen auf der Kennedybrücke, als dort das Elitefeld vorbeirauschte. Mit dem Fernsehturm im Rücken und auf Streckenrekordkurs – sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen! Eine fünfköpfige Männer-Spitzengruppe, angeführt von Favorit Mailu, fing hier schon an, sich ein bisschen in die Länge zu ziehen. Einige Plätze hinter dem Feld und recht alleine: Hendrik Pfeiffer, schnellster Deutscher. Dicht zusammen dagegen das Frauen-Führungsduo Lonah Salpeter und Naom Jebet.

Kein Start-Ziel-Sieg also weder bei den Männern noch bei den Frauen. Spannung für die Zuschauer garantiert. Durch die engen Abstände und die technische bedingte Verzögerung der Live-Übertragung war auch im Zielkanal nicht klar, ob die Streckenrekorde realistisch in Gefahr sein würden. Sogar eine Zeit unter einer Stunde schien bei Kilometer 19 bei den Männern noch drin zu sein. Oder doch eher 1:01:30? Auf jeden Fall stieg die Stimmung bei den Zuschauenden im sehr langen Zieleinlauf in der Jungiusstraße (ein weiteres Volksfest!). Mailu konnte sich 1,5 km vor dem Ziel von seinem Verfolger absetzen. Was nicht viel bedeutet, denn neben der Wärme kann auch der letzte Kilometer mit seiner Steigung noch einmal ordentlich ausbremsen.

So geschah es… nicht! Mailu konnte seinen Vorsprung ins Ziel retten und kam in 1:01:09 (brutto) 25 Sekunden vor Edwin Kipruto ins Ziel. Das war gerade mal 17 Sekunden langsamer als der Streckenrekord von 2015. Kann man getrost dem Wetter in die Schuhe schieben…

Und nun… die beiden schnellsten Frauen. Ein Zielsprint: Über mehrere Hundert Meter bergauf und auf gerader Strecke – ins Teleobjektiv hinein ist nicht nur für Fotografen eine Freude. Vom Ziel aus war aus der Entfernung erst auf Höhe des ersten von drei Zielbögen erkennbar, dass Salpeter wenige Schritte vor Jebet lag. Glückwunsch zum Sieg, und an beide für das Unterbieten des Streckenrekordes von 2018 (Gladys Jeptepkeny, 1:10:13).

Schnellster Deutscher wurde – ganz wie erwartet – Hendrik Pfeiffer in 1:05:35 („Habe alle Wasserstellen mitgenommen'”), schnellste Deutsche Esther Jacobitz (beide TK zu Hannover) in 1:16:34. Und die Hamburger? Erik Hille vom Laufteam Haspa Marathon Hamburg querte nach 1:08:48, Lara Hülsebusch vom TH Eilbeck nach 1:24:32 die Ziellinie.

Vorbei war die Party noch lange nicht, der Läuferstrom ins Ziel fing jetzt erst richtig an zu fließen. Nach zwei Stunden waren 1.500 Finisher im Ziel – bei mittlerweile 26° C und um 11.20 Uhr ca. 3000.

Etwas später als nach Plan (11.30 Uhr) fanden nebenan – bei einem weiteren Volksfest/Zuschauer- Hotspot zwischen Eis- und Getränkebuden (dringend benötigt) – die Siegerehrungen statt. Da der hella hamburg halbmarathon mittlerweile ein World Athletics Label trägt (als nur eines von vieren in Deutschland in diesem Jahr), verschärften sich die Anforderungen an die Dopingkontrolle. Erst Kontrolle, dann aufs Podium, mit kleiner Verzögerung. (Infos: Veranstalter)

Foto: © Marco Grundt

  • Top-Ergebnisse (Bruttozeiten)
  • Männer
  1. Samwel Mailu, KEN, 1:01:09
    2. Edwin Kipruto, KEN, 1:01:34
    3. Jonathan Korir, KEN, 1:02:52
    4. Ismael Kiprono, KEN, 1:03:03
    5. Vincent Towett, KEN, 1:03:21
    6. Haimro Alame, ISR, 1:03:34

    14. Hendrik Pfeiffer, TK zu Hannover, 1:05:35

    19. Erik Hille, LT Haspa Marathon Hamburg, 1:08:48

Frauen

  1. Lonah Salpeter, ISR, 1:10:05
    2. Naom Jebet, KEN, 1:10:06
    3. Meritxell Soler, ESP, 1:11:56
    4. Janet Ruguru, KEN, 1:12:19
    5. Sylvia Mmboga Medugu, KEN, 1:14:49
    6. Esther Jacobitz, TK zu Hannover, 1:16:34 (schnellste Deutsche)

    10. Lara Hülsebusch, TH Eilbeck, 1:24:32