Athen-Marathon: Auf den Spuren der Antike

Weltweit können Marathonfreunde heutzutage unter Tausenden Läufen in aller Welt auswählen. Doch nur einer von ihnen verläuft dort, wo die klassische Distanz ihren Geburtsort hat, in Athen.

Der Name des längsten olympischen Laufwettbewerbes hat seinem Ursprung bekanntlich im antiken Griechenland – dort, wo sich 490 v. Chr. die Griechen unweit des kleines Ortes Marathon siegreich gegen die Bedrohung durch die Perser verteidigten. Von diesem Ereignis ist die außerordentliche sportliche Leistung des Soldaten Pheidippides überliefert, der die Siegesbotschaft schnellen Fußes über die rund 40 Kilometer vom Schlachtfeld bis in die Hauptstadt Athen überbrachte. Rund 2.400 Jahre später griffen die Organisatoren der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 diese Legende auf, um an historischer Stätte einen langen Lauf namens Marathon ins olympische Programm aufzunehmen. Wer konnte ahnen, dass diese Langstrecke, die nach einigen Änderungen schließlich 1921 international auf 42,195 Kilometer festgelegt wurde, später viele Millionen Menschen in aller Welt in ihren Bann ziehen würde.

Obwohl die Griechen mit Spiridon Luis 1896 den ersten Olympiasieger im Marathonlauf hervorbrachten, hatte die Laufstrecke im Ursprungsland danach mehr als ein halbes Jahrhundert wenig Beachtung gefunden. Erst ab 1955 gab es in Athen wieder einen Marathonlauf im Frühjahr und ab 1974 einen zweiten im Herbst. Bei diesem waren erstmals auch Frauen zugelassen und die Hamburgerin Eva-Maria Westphal ging in 3:55:56 Stunden als erste Siegerin hervor. Erst die Europameisterschaften 1982 rückten den Lauf auf der Originalstrecke von Marathon nach Athen ins internationale Rampenlicht. Alle Welt verfolgte im Fernsehen, wie erstmals auch die Frauen auf der klassischen Distanz mit dabei waren und die Portugiesin Rosa Mota in 2:36:04 Stunden als erste Europameisterin Sportgeschichte schrieb. Später fanden auf der historischen Strecke der Marathon Welt-Cup (1995), die Weltmeisterschaften (1997) und der olympische Marathonlauf von 2004 statt.

Der Aufstieg in die Weltliga

In seinen Anfängen fand das „Athener Original“ noch international wenig Resonanz unter Marathonfreunden. Die Strecke ist mit ihrem anspruchsvollen Profil nichts für schnelle Zeiten. Der Kurs beginnt in der heutigen Ortschaft Marathon und führt zunächst nach Süden. Dabei wird der Grabhügel der in der Schlacht von Marathon gefallenen Athener umrundet. Danach geht es durch die Stadt Nea Makri. Nach zehn flachen Kilometern folgen in Wellen die ersten Anstiege. Bei Rafina biegt der Kurs nach Westen ab, und über Pikermi, Pallini und Gerakas geht es bei Kilometer 32 nach Agia Paraskevi. Dort wird mit 240 Meter über Meeresniveau der höchste Punkt der Strecke erreicht. Weiter verläuft die Strecke abschüssig durch Chalandri und Cholargos ins Zentrum von Athen bis zum Ziel im antike Panathinaiko-Stadion. Die Strecke verläuft durch die malerische Landschaft der Region Attica. In den ersten Jahren des Marathons war die Tatsache, dass der Straßenverkehr die Aktiven begleitete, nicht besonders einladend. Doch die Organisation und der Service für die Aktiven verbesserten sich Jahr für Jahr und erhöhten den Zuspruch. Wettbewerbe über 10 und 5 Kilometer und Kinderläufe kamen hinzu und vergrößerten die Gesamtteilnehmerzahlen erheblich. Hatte man um die Jahrtausendwende auf der Marathondistanz gerade mal die Teilnehmermarke von 1.000 überschritten, so waren hier 2010 schon mehr als 10.000 Marathonis am Start. Ab 2014 ging es beständig aufwärts mit den Teilnehmerzahlen. Auch die internationale Elite gab sich in Athen die Ehre. 2014 verbesserte der Kenianer Felix Kipchirchi Kandie den heute noch gültigen Streckenrekord auf 2:10:37 Stunden. Die beste Frauenleistung wurde auf der Strecke allerdings nicht beim Athen-Marathon, sondern im Rahmen der Olympischen Spiele 2004 von der Japanerin Mizuki Noguchi (2:26:20) erzielt.

Der Zieleinlauf ins altehrwürdige Panathinaiko-Stadion mit seiner einzigartigen Hufeisenform und den marmornen Traversen ist ein ganz besonders Erlebnis. Es wird wohl allen Aktiven stets in Erinnerung bleiben. Noch bis spät in den Abend prägen am Marathontag stolze Medaillenträgerinnen und -träger das Athener Straßenbild. Hier angekommen zu sein, auf der nicht ganz einfachen aber unvergleichlich historischen Strecke ist eben etwas ganz Besonderes. Marathon, das Original, gibt es eben nur hier.

TEXT: Wolfgang Weising
FOTOS: SEGAS-AMA, Pixabay